Ein Amt ohne demokratische Legitimation - der Einfluss der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina durch den Hohen Repräsentanten
Was ist der Hohe Repräsentant?
Das Amt des Hohen Repräsentanten (Office of the High Representative, OHR) wurde vor rund 25 Jahren im Daytoner Abkommen beschlossen*. Der OHR wird durch ein Leitungsgremium, dem Friedensimplementierungsrat (PIC), der aus 55 Ländern und internationalen Agenturen besteht, nominiert und anschließend durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bestätigt.
Die ursprünglichen Aufgaben des OHRs sind u.a. die Überwachung der Umsetzung des Daytoner Abkommens und die Koordinierung der Aktivitäten lokaler und internationaler Organisationen in Bosnien und Herzegowina. Mit den sogenannten „Bonn-Powers“ wurden die die Zuständigkeiten des OHR durch das PIC im Jahre 1997 stark erweitert. Seither hat er u.a. die Möglichkeit, öffentliche Bedienstete, die gesetzliche Vorschriften oder das Daytoner Friedenabkommen verletzen, aus dem Amt zu entheben, sowie ihm geeignet erscheinende Gesetze zu erlassen. Damit erhielt der OHR eine fast absolutistisch anmutende Machtfülle und der Einfluss der internationalen Gemeinschaft im vom Krieg zerrütteten Bosnien und Herzegowina wurde weitgehend zementiert.
Auch die Europäische Union spielt dabei eine entscheidende Rolle: Besonders im Bereich der Migration, also der Sicherung ihrer Außengrenze und dem Versuch der Steuerung und Verlangsamung von Migrationsbewegungen, zeigt die EU in den letzten Jahren ein hohes Interesse an Kooperation und Einfluss.
Christian Schmidt, Mitglied der CSU und ehemaliger Bundeslandwirtschaftsminister, ist im Sommer zum Hohen Repräsentanten der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina ernannt worden. Damit besetzt er, als Mensch mit deutscher Staatsbürgerschaft, ohne zivilgesellschaftliche Legitimation einen der höchsten Posten des Landes.
*Das Daytoner Abkommen ist der Friedensvertrag, der 1995 zwischen den Konfliktparteien des Bosnienkrieges (1992-1995) geschlossen wurde. In dem Abkommen wurden die Grenzziehung, Unabhängingkeit und der Staatsaufbau von Bosnien-Herzegowina beschlossen. Das Abkommen von Dayton wurde stark von den OSZE Staaten (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) und den USA beeinflusst.
Stand: 02.01.2022
Was bleibt offen?
Als Balkanbrücke positionieren wir uns kritisch gegenüber dem Einfluss der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, der fehlenden zivilgesellschaftlichen Legitimation des OHR und mangelnder Transparenz. Welchen Zweck erfüllt das Amt des OHR fast 30 Jahre nach Beendigung des Krieges? Wie wird seine Macht legitimiert?
Öffentliche Äußerungen Christian Schmidts lassen zudem eine problematische Positionierung mit Blick auf People on the Move erahnen. So betont er die Notwendigkeit, „illegale“ Migration weitgehend zu unterbinden und stützt damit die Argumentation der Europäischen Abschottungspolitik. Welchen realpolitischen Einfluss der CSU-Politiker in Bosnien-Herzegowina haben wird, bleibt angesichts der seit den 2000er Jahren schwindenden Akzeptanz des Amtes des OHR abzuwarten. Als Balkanbrücke begleiten wir den Prozess kritisch.
Weitere kritische Positionen zum Hohen Repräsentaten und dem Daytoner Abkommen haben wir hier zusammengefasst: